Montag, 6. Juli 2015

Gelesen: "Guten Morgen, Abendland" von Nazan Eckes




Coverbild vom Verlag zur Verfügung gestellt

Autorin: Nazan Eckes
Titel: "Guten Morgen, Abendland. Almanya und Türkei - eine Familiengeschichte"
Preis: 9,99 € inkl. MwSt.
Verlag: BASTEI LÜBBE
Umfang: 237 SEITEN
ISBN: 978-3-404-60677-1


Klappentext:

Die sechsjährige Nazan kann es nicht fassen, als sie ihre Mutter sagen hört „Kizim, meine Tochter, den Nikolaus gibt es nicht.“ Alle anderen Kinder in der Schule erzählen von prall gefüllten Stiefeln, nur sie kriegt nichts. Dafür lieben es ihre deutschen Freundinnen, bei der lebhaften türkischen Familie zu Gast zu sein. Die beliebte RTL-Moderatorin erzählt vom Fremdsein, von Vorurteilen, vom Ankommen und ein Zuhause finden. Und beweist mit ihrem Buch: Es ist kein Nachteil in zwei Kulturen aufzuwachsen. Es ist eindeutig ein Vorteil. 

Meine Meinung:
Dieses Buch wäre fast an meiner 10%-Hürde gescheitert, aber ich habe dann doch weitergelesen und bin sehr froh darüber. Nazan Eckes hat die Geschichte ihrer Familie, ihr Leben zwischen zwei Kulturen und ihre Gedanken zum Thema Integration aufgeschrieben. Das Buch ist literarisch und sprachlich zwar kein großer Wurf, aber die Berichte ihrer Eltern, wie sie damals in den 60er/70er Jahren nach Deutschland kamen, sind sehr berührend und wenn man sie gelesen hat, sieht man die Geschichte der Gastarbeiter in Deutschland mit ganz anderen Augen als vorher. Ich hatte zwar schon Bücher wie "Ganz unten" von Günter Wallraff, "Einmal Hans mit scharfer Soße" und "Ali zum Dessert" von Hatice Akyün gelesen und Filme wie z.B. "Almanya - Willkommen in Deutschland" gesehen, ich war sogar mal zwei Jahre lang mit einem Sohn griechischer Gastarbeiter zusammen und habe viel über seine Familie und deren Geschichte erfahren, aber den größten Eindruck hat diesbezüglich "Guten Morgen, Abendland" bei mir hinterlassen.
Die Geschichte der Gastarbeiter in Deutschlad ist ein Stück deutscher Geschichte und ich finde, man sollte sich nicht nur für die Weimarer Republik, die Nazizeit, den kalten Krieg und den Mauerfall interessieren, wenn man in Deutschland lebt, sondern auch dafür, wie es für Menschen aus anderen Ländern und Kulturen ist, hier zu leben.
Was ich weniger gut fand: Das Buch holpert dramaturgisch oft und Spannungsbögen verlaufen plötzlich im Sand. Einige Dinge finde ich unlogisch, z.B. wenn Mesut Özil im Interview einerseits betont, dass er bereits in dritter Generation in Deutschland lebt, aber andererseits erzählt, wie seine Eltern damals als Gastarbeiter nach Deutschland kamen, aber da bin ich leider sehr pingelig (preußische Wurzeln lassen sich auch nicht so leicht verleugnen) und andere können bestimmt gut darüber hinweg lesen.
An manchen Stellen fragte ich mich auch, warum Unterschiede zwischen damals und heute so oft mit Unterschieden zwischen den Kulturen verwechselt werden. Die Menschen in den 60er Jahren in Deutschland haben sich fast alle immer korrekt angezogen. Es war für Erwachsene einfach nicht üblich, in der Öffentlichkeit Jeans und T-Shirt zu tragen, ganz zu schweigen von Jogginghosen oder Leggings. Man trug als Mann einen Anzug mit Hemd, die Frauen Rock und Bluse oder ein Kleid. Und es wurde auch in deutschen Haushalten auch immer richtig gekocht, Fertiggerichte gab es meines Wissens noch gar nicht. Wenn Nazan Eckes aber meint, dass das ein bemerkenswerter Unterschied zwischen Türken und Deutschen war, frage ich mich, ob das dem Lektorat nicht auffällt?

Fazit: Ein mäßiger Anfang, ein sehr berührender Mittelteil und am Ende ein wunderbar mitreißendes Plädoyer für kulturelle Vielfalt, Völkerverständigung und Integration. Auf jeden Fall lesenswert!

Tipp 1:
Beim Verlag gibt es eine umfangreiche Leseprobe.

Tipp 2:
Tom Aslan hat Nazan Eckes unter anderem zu ihrem Buch interviewt.


1 Kommentar:

  1. Danke für diese aufschlussreiche Rezension. ich hätte das Buch niemals in die Hand genommen, aber deine Kritik macht mich neugierig.
    LG
    Wiebke

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