Freitag, 11. September 2020

Abgebrochen: "Jahre der Veränderung" von Linda Winterberg



Coverbild freundlicherweise vom Verlag zur Verfügung gestellt


Autorin: Linda Winterberg
Titel: Jahre der Veränderung
Reihe: Die Hebammen-Saga, Teil 2
Broschur
400 Seiten
Aufbau-Verlag
978-3-7466-3568-2
Preis: 12,99 € (D), 13,40 € (A)


Klappentext:
Drei junge Frauen folgen dem Ruf des Lebens.
Berlin 1929: Die drei Freundinnen haben ihren Weg gefunden: Edith arbeitet als Hebamme in der Klinik und in einer Beratungsstelle für Frauen. Margots Leben steht kopf, nachdem sie sich in einen verheirateten Mann verliebt hat, und Luise unterrichtet inzwischen Hebammen-Schülerinnen und stürzt sich ins Nachtleben der schillernden Metropole. Gleichzeitig zeigen sich die Spuren der Weltwirtschaftskrise nur zu deutlich in Berlin. Armut und Leid sind allgegenwärtig. Als Edith ein verlockendes Angebot bekommt, das ihr Leben verändern wird, ist die Freundschaft der drei Frauen auf eine harte Probe gestellt. 
Die große Hebammen-Saga: historisch fundiert, atmosphärisch und voller liebenswerter Figuren.

Meine Meinung:
Ich habe mich ja schon beim ersten Teil der Hebammen-Saga über einige Dinge geärgert, aber den zweiten Teil breche ich jetzt nach etwa 35% ab und entsprechend werde ich auch den dritten Teil nicht lesen.
Ich kann ja verstehen, dass man einen historischen Roman nicht unbedingt so schreibt, wie man damals wirklich gesprochen hat. Aber hier ist mir die Sprache viel zu modern, z.B. hätte man damals niemanden als "Weichei" beschimpft oder "ich muss" gesagt, wenn man schnell losgehen will. Damals hätte auch ein 14-jähriges Mädchen einen mittelalten Mann nicht öffentlich mit seinem Vornamen angesprochen und geduzt. Sie hätte ihn entweder gesiezt oder "Onkel" genannt. Es sei denn, es war ihr Vater, den hätte sie aber auch nicht mit dem Vornamen angesprochen. Das ist natürlich Geschmachssache und wer da nicht so empfindlich ist, kann natürlich die Leseprobe nutzen, um zu schauen, ob ihr/ihm das Buch gefällt.
Die Figuren sind allesamt flach. Ich habe außer bei den drei Hauptpersonen kaum ein Bild vor Augen. Ich bin ja eigentlich kein großer Fan von allzu ausführlichen, blumigen Beschreibungen, aber etwas mehr möchte ich schon über die Menschen, Speisen, Getränke, Kleidung, Einrichtung lesen. Vor allem im Nachtleben ist mir aufgefallen, dass keine Musik beschrieben wird. Da wird zwar im Femina-Palast getanzt, aber ob das jetzt Walzer, Charleston oder sonstwas ist, weiß man nicht. Immerhin ist von einem Orchester die Rede. In der Scala tanzen und hopsen die Scala-Girls über die Bühne, aber Musik wird mit keinem Wort erwähnt. Dazu kommt, dass Luise am Anfang des Buches erzählen will, was sie "neulich in der Scala" erlebt hat, aber später heißt es dann: "Luise war noch nie in der Scala gewesen." Ja, wie denn nun? 
Die hochschwangere "Frau Weber" wird auf der nächsten Seite zu "Frau Schönke".
Fällt das denn der Autorin oder dem Lektorat oder den Probeleser'innen nicht auf???
Mich nerven auch die endlosen Wiederholungen. Bei jeder zweiten Geburt sagt die Hebamme überrascht: "Da scheint es jemand wirklich eilig mit dem Auf-die-Welt-kommen zu haben!" Wenn die Leute in diesem Buch ins Kino gehen, ist es immer der Gloria-Palast. Dabei gab es damals so viele Kinos in Berlin!
"Historisch fundiert" kann man das auch nicht nennen, wenn Luise mit Marina mitten in der Nacht mit der U-Bahn in Berlin herum fährt. Ich habe bei der BVG nachgefragt, damals gab es keinen Nachtbetrieb bei der Berliner U-Bahn. Man kann auch nicht am Hermannplatz in die Ringbahn steigen und diese fährt auch nicht nach Wittenau. Hermannplatz und Wittenau sind beides keine Ringbahnhöfe. Hermannplatz ist nicht einmal ein S-Bahnhof!
Ach, es ist so schade, denn grundsätzlich finde ich es spannend, über die Zeit zwischen 1929 und 1933 in Berlin zu lesen. Und neben der politischen Lage geht es hier ja nicht nur um Geburtshilfe, sondern auch um Familienplanung, also Aufklärung, Verhütung und Abtreibung. Das Thema beschäftigt uns ja bis heute, denn die Paragraphen 218 und 219 wurden noch immer nicht abgeschafft. Aber ich ertrage es nicht länger, dieses lieblos zusammengeschusterte Buch zu lesen.

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