Sonntag, 27. September 2020

Gelesen: "Die Hafenschwester - Als wir wieder Hoffnung hatten" von Melanie Metzenthin



Coverbild freundlicherweise vom Verlag zur Verfügung gestellt


Autorin: Melanie Metzenthin
Titel: Die Hafenschwester - Als wir wieder Hoffnung hatten
Reihe: Die Hafenschwester, Band 2
Preis: 15,00 € [D], 15,50 € [A], CHF 21,90
Klappenbroschur
496 Seiten
ISBN: 978-3-453-29244-4
Erschienen am 14. September 2020


Klappentext:

Hamburg, 1913: Mit ihrer großen Liebe Paul hat Krankenschwester Martha drei gesunde Kinder, eine schöne Wohnung und sogar eine Einladung nach Amerika, um ihre Freundin Milli zu besuchen. Doch die Stadt steht kurz vor dem Ausbruch des 1. Weltkrieges und Marthas Träume von der Zukunft zerplatzen. Trotz seiner 41 Jahre wird Paul eingezogen und Martha muss sich in dieser schweren Zeit allein um das Überleben ihrer Familie kümmern. Als Paul nach einem Granatenangriff schwer entstellt zurückkehrt, wird ihre Ehe auf eine harte Probe gestellt. Martha tut alles für ihren Mann, Paul unterzieht sich aber nur unwillig den nötigen Operationen und scheint aufgegeben zu haben …


Meine Meinung:
Die Hafenschwester Martha erlebt mit ihrer Familie und ihren Freund'innen aufregende Zeiten. Der Fortschritt zeigt sich im Alltag z.B. in der Küche mit dem modernen Gasherd, im Bad mit einer eigenen Badewanne, aber auch auf der Straße mit der Straßenbahn und unterirdisch mit dem Elbtunnel, zu dem die Automobile per Aufzug gelangen. Über solche Details freue ich mich besonders, weil ich vor vielen Jahren durch diesen Elbtunnel sogar schon gelaufen bin und den Aufzug bewundert habe. Da ist es schön, mit den Augen von Martha diese Dinge als neu zu erleben.
Natürlich gibt es noch immer arme Familien im Hamburger Gängeviertel und das Schicksal von Kindern aus armen Familien, die zu Waisen werden, ist herzzerreißend. "Hat es in unserer Gesellschaft jemals interessiert, was Kinder sich wünschen?" fragt Martha zurecht und man kann ins Grübeln kommen, wenn man sich die Frage auch heute stellt.
Insbesondere dass für Mädchen nichts vorgesehen war und ihnen meist nur die Prostitution blieb oder eine Anstellung als Hausmädchen, was oft auf dasselbe hinauslief, ist erschütternd.
Ein wenig merkwürdig fand ich daher die Ansichten von Martha, die einerseits voll hinter der Entscheidung ihrer besten Freundin steht, einen reichen Mann zu heiraten, um nicht mehr anschaffen zu müssen, aber andererseits ihre eigene Schwägerin verdächtigt, ihren Bruder nur geheiratet zu haben, um nicht als Prostituierte zu enden.
Später gibt es aber eine Annäherung zwischen den Schwägerinnen, die ich sehr berührend fand. Ebenso schön fand ich die Entwicklung zweier kriegsversehrter Freunde, die miteinander über ihre Lage, ihre Probleme und auch ihre Fortschritte sprechen.
Martha kämpft für die Rechte der Frauen, auch durch ihre Arbeit in der Beratungsstelle am Hafen. Sie legt sich mit Moralaposteln an, die behaupten, sie würde Frauen erst zur Unzucht anstiften, indem sie über Empfängnisverhütung aufklärt. Sie argumentiert mit einer bewundernswerten Schlagfertigkeit, davon würde ich mir gern eine Scheibe abschneiden.
Der erste Weltkrieg spielt in diesem Buch natürlich eine große Rolle, wobei es kaum Beschreibungen direkt von der Front gibt. Aber die Abwesenheit der Männer, die Mangelwirtschaft, die steigende Zahl an schlechten Nachrichten über Verwundete und Tote werden eindrücklich beschrieben. Wenn die Themen allerdings zu schrecklich werden, wahrt die Autorin immer geschickt eine gewisse Distanz, das fand ich sehr angenehm.
"Der Krieg fraß die Menschlichkeit nicht nur im Schützengraben, sondern auch an der Heimatfront. [...] Das ganze Land, so empfand es Martha, verrottete langsam von innen, und alle Solidarität und Einigkeit verloren sich im Kampf um das eigene Überleben."
Einerseits war ich ein wenig enttäuscht, dass die Spanische Grippe nur am Rand erwähnt wurde, nachdem die Cholera im ersten Band so eine große Rolle gespielt hatte. Andererseits finde ich gut, dass die Autorin hier nicht auf den aktuellen Trend aufgesprungen ist, in Zeiten von Corona über eine Pandemie zu schreiben.
Dafür werden der Streik der Werftmitarbeiter in Hamburg und der Aufstand der deutschen Kriegsmarine, die zum Ende des ersten Weltkriegs geführt haben, so gut und ausführlich beschrieben, dass ich es endlich mal verstanden habe, was damals eigentlich passiert ist. Das gilt übrigens auch für den Anfang des Krieges, denn ich habe nie verstanden, warum ein Attentat eines Serben auf den österreichischen Thronfolger dazu geführt hat, dass Deutschland gegen Russland kämpfen muss. Jetzt weiß ich besser bescheid.
Nach dem Ende des Krieges und der Monarchie gibt es große Veränderungen, vor allem das Frauenwahlrecht, der Achtstundentag und die Anerkennung der Gewerkschaften machen den Figuren große Hoffnung für die Zukunft. Leider wissen wir heute ja schon, welche Katastrophe bald darauf passiert ist.
Ich freue mich auf den dritten Teil und bin gespannt, wie es mit der Hafenschwester, ihrer Familie und ihren Freund'innen weitergeht.

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