Sonntag, 9. Februar 2014

Suchen Sie sich ein gutes Netzwerk...

Gerade habe ich einen wichtigen Text bei Uta gelesen. Eigentlich wollte ich ihr nur einen kurzen Kommentar schreiben, aber dann wurde der immer länger und länger. Also schreibe ich das lieber hier. Vielleicht interessiert es ja jemanden. Wenigstens texte ich Utas Blog nicht so zu.

Ich denke immer wieder, wie kaputt diese Gesellschaft doch ist. Kinder zu haben, zu betreuen und zu erziehen, das ist so wunderschön! Warum nur wird erwartet, dass man Kinder so schnell und so viel wie möglich abschiebt? Warum machen das so viele Eltern, wenn es ihnen doch das Herz zerreißt?

Wenn einfach mal mehr Leute auf sich und ihr Bauchgefühl hören und bei ihren Kindern bleiben und liebevoll auf sie eingehen würden, gäbe es viel weniger Probleme. Dass ein Gehalt pro Familie nicht ausreicht, liegt doch meist nur an den Ansprüchen der Leute. Wenn man bereit ist, sich einzuschränken, kommt man auch mit sehr viel weniger Geld aus. Und viele Kosten entstehen ja erst durch die Berufstätigkeit: das zweite Auto, Businessklamotten, Kinderbetreuung,...

Dass Alleinerziehende arbeiten müssen, um zu überleben, ist ein schwerer Fehler im System. Auch dass verheiratete Frauen (oder solche in eheähnlicher Gemeinschaft) so schnell wie möglich wieder arbeiten sollten, um nicht "den Anschluss zu verlieren", um später nicht noch weniger Rente zu bekommen, um unabhängig zu sein, für den Fall dass sie auch plötzlich alleinerziehend sind (z.B. durch Scheidung oder Tod des Partners), das ist doch der falsche Weg!

Diese vielen Kinder, die schon mit einem Jahr oder sogar noch früher täglich für 8 Stunden in die Kita abgeschoben werden, die überall mit dem Auto hin gefahren werden, weil keine Zeit zum zu Fuß gehen bleibt, die zuhause nicht lernen, wie man Wäsche faltet, Betten bezieht oder das Klo putzt, weil das ja alles die Putzfrau macht, was wird später aus diesen Kindern???

Ich bin mit meinen Kindern zuhause und ich mache so viel wie möglich selbst, betreibe Upcycling, repariere, nähe, stricke, bastle, koche, backe. Wir gehen zu Fuß oder fahren mit dem Bus, so lernen meine Kinder auch, wie sie sich im Straßenverkehr verhalten müssen. Wir saugen gemeinsam Staub, dabei erkläre ich z. B., wie das Gerät funktioniert. Meine Kinder besuchen zwar auch eine Halbtagskita, damit sie z. B. mehr Sozialkompetenz erwerben. Aber bei einem Betreuungsverhältnis von 19 Kindern auf zwei Erzieherinnen ist es unmöglich, dass dort alle Fragen geklärt und alle Dinge besprochen werden, die so einem Kind jeden Tag begegnen.

Zwar nagen manchmal leise Zweifel an mir, wenn ich mit dem Thema "Wiedereinstieg nach der Babypause" konfrontiert werde, aber ich erlebe mehrmals täglich Situationen, in denen ich denke: "Wie sollte ich das jetzt regeln, wenn ich berufstätig wäre???"

In der Theorie klingt das alles immer so einfach: Man hat ja Anspruch auf einen Kitaplatz und dann kann man doch einen Vollzeitjob haben oder wenigstens Teilzeit arbeiten. Das geht solange gut, wie die Kinder gesund bzw. nicht mehr als die erlaubten Tage krank sind. Aber allein im ersten Kitajahr schleppt sich der Nachwuchs von einem Infekt zum nächsten. Das ist ganz normal. Aber wie soll man da arbeiten gehen? Oder wenn das Kind chronisch krank ist, regelmäßig zum Arzt, zum Kinderpsychologen, zur Psychomotorikgruppe oder zum Logopäden muss, was dann? Und Zahl der Kinder, die solch Behandlungen braucht, nimmt immer weiter zu. Ist ja auch kein Wunder, wenn die Kinder z.B. nicht mehr zu Fuß gehen.

Ich gehe mit den Kindern auf den Spielplatz, in den Turnverein und in die Bücherei. Mit Vollzeitjob ginge das unter der Woche nicht. Und Kitafreunde besuchen, um mal zu sehen, wie andere Familien so leben, das ginge auch nur am Wochenende. 

Dann gibt es (zumindest bei uns) keine Vorschularbeit mehr. Deshalb setze ich mich mehrmals pro Woche mit meinem großen Kind hin, damit es alles lernt, was es zum Schulbeginn kommenden August können muss. Würde ich arbeiten, müsste ich das am Wochenende machen. Aber da würden dann noch die Wäsche, der Großeinkauf usw. warten. Wann sollte man sich da erholen?

Unsere Kita hat (neben den Brückentagen, Sommer- und Weihnachtsferien) auch jedes Halbjahr etwa fünf Schließtage wegen Fortbildung, Erste Hilfe Kurs, Betriebsversammlung, was weiß ich.
Dazu kommen die Ausflugstage, an denen wir die Kinder erst eine halbe Stunde später bringen dürfen, dafür aber bitte "gefrühstückt", und abholen sollen wir sie auch eine halbe Stunde früher als sonst, aber dann müssen sie noch zuhause Mittag essen. Das will auch gekocht sein.
Dazu kommen die "freiwilligen" Dienste: Helfen beim Weihnachtsbasar, Kekse und Kuchen backen, zweimal im Jahr für die ganze Gruppe Frühstück machen, Laternen basteln für Sankt Martin, Faschingskostüme basteln,...
Ich bin so froh, dass ich die Zeit habe, diese Aufgaben entspannt zu erledigen und die Freude daran mit meinen Kindern zu teilen, anstatt abgehetzt nur das Nötigste zu machen und meinen Kindern zu vermitteln, wie ätzend ich das alles finde.

Es heißt immer so schön, man solle sich ein gutes Netzwerk suchen, um Familie und Beruf vereinbaren zu können. Aber dieses Netzwerk will auch gepflegt werden. Und wenn ich das Netzwerk brauche, um meinen Kram überhaupt auf die Reihe zu bringen, wie soll ich mich da revanchieren??? Ich kann auch einen Babysitter, eine Nanny oder ein Au Pair bezahlen. Aber da sind wir wieder bei den Kosten, die wir nicht hätten, wenn wir uns einfach ganz in Ruhe selbst um unsere Brut kümmern würden.

Ich will noch einmal betonen, dass mir klar ist, dass Alleinerziehende im Allgemeinen arbeiten müssen und keine Wahl haben. Ich möchte auch ergänzen, dass ich es vollkommen okay finde, wenn jemand seinen Beruf wirklich liebt und deshalb nicht zuhause bleibt, ja sogar zuhause unglücklich wäre. Da sind die Kinder wahrscheinlich wirklich besser bei einer liebevollen Nanny oder Oma aufgehoben. Aber alle anderen, die sich so unnötig zerreiben, die immer ein schlechtes Gewissen haben, obwohl auch mit einem Gehalt (oder mit zwei halben Gehältern) genug Geld da wäre, mögen doch bitte mal in sich gehen, ob sie sich und ihren Kindern das Leben nicht einfacher machen könnten. Und damit meine ich nicht, dass die Frauen zuhause bleiben müssen, während die Männer arbeiten gehen sollen. Es geht auch umgekehrt. Oder beide arbeiten in Teilzeit.

Ich will niemandem vorschreiben, wie er oder sie zu leben hat. Aber genauso möchte ich mir auch nicht vorschreiben lassen, wie ich zu leben habe. Wir sind emanzipiert. Das bedeutet, Frauen dürfen arbeiten gehen, wenn sie wollen. Männer auch. Und sie dürfen bei ihren Kindern bleiben, wenn sie wollen. Frauen auch. Jetzt muss nur noch dieser Druck nachlassen, der ständig auf Mütter ausgeübt wird. Und eine vernünftige finanzielle Absicherung für Alleinerziehende ist auch nötig.


4 Kommentare:

  1. Ich kann jedes Wort von Dir unterstreichen und danke Dir sehr, dass Du das Thema bei Dir aufgegriffen hast. Ganz herzliche Grüße Uta

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  2. Ohhhhh jaaaaaa....auch hier in Österreich ist das so!!!! :-(

    Es muss sich schläunigst was ändern!!!!

    Schick Dir von Herzen liebe Grüße,
    Angelina

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  3. Ich bin eine späte Mutter (Baby mit 37) und das Thema Arbeiten gehen ist für mich gegessen. Für mich war klar, wenn's mit dem Baby klappt, dann bleib ich beim Kind zu Hause. Und so ist es jetzt auch. Aber man schämt sich fast zu sagen, dass man "nur" Hausfrau und Mutter ist. Kinder müssen erzogen und nicht nur betreut werden. Nur mit Beaufsichtigung werden keine Werte vermittelt. Aber das ist wirklich ein breites Feld und das Thema kann ewig diskutiert werden.
    LG
    Petra

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  4. Hallo Henriette,

    ich glaube, ein Grundproblem heutzutage ist, dass sich viele Menschen oft genötigt sehen, sich zu erklären und zu rechtfertigen. Es gibt so viele unterschiedliche Familienmodelle, Ernährungsweisen, Lebensmodelle, und immer wieder gibt es Menschen, die fragen, warum man sich vegan ernährt, warum die Kinder mit eins schon in die Kita gehen, warum man 60 Stunden die Woche arbeitet etc.
    Ich finde es großartig, dass du so in deiner Mutterrolle aufgehst und bewusst lebst. Bei mir ist es auch so, trotzdem waren meine beiden Herzbuben schon früh in der Kita.
    Mein erstes Jahr mit dem großen Herzbuben war sehr schön zu Hause. Er war sehr oft krank und seine Entwicklung hat uns viele Sorgen und Untersuchungen beschert, aber es war trotzdem eine schöne, entspannte Zeit. Doch muss ich sagen, dass ich mich auf das Arbeiten nach 15 Monaten gefreut habe. Ich hatte das Gefühl, dass mir die Decke auf den Kopf fällt und ich dem kleinen Kerl nicht gerecht werden kann.
    Mein kleiner Herzbube war ein Vielfraß, schwerer Mops, der mir fast alle Kräfte raubte. Ein wahres, entspanntes Sonnenscheinchen, aber der große war ja auch noch da mit all den Bedürfnissen und Krankheiten. Ich war zum Ende dieser Elternzeit ziemlich schlapp, aber auch da freute ich mich auf meinen beruflichen Wiedereinstieg.
    Ich habe in beiden Fällen nicht bereut, früh wieder arbeiten gegangen zu sein. Mir tat es gut, auch wenn ich sagen muss, dass der Wiedereinstieg nach der zweiten Elternzeit im ersten Jahr schwierig war. Nicht nur Kinder und Eltern entwickeln sich, auch eine Firma.
    Unsere Kita ist für mein Empfinden ein sehr guter Ort für meine Herzbuben, die Menschen dort richtig für sie und mich.
    In Frage gestellt habe ich meine Entscheidungen nur, wenn es andere getan haben, die mir vorgeworfen haben, meine Kinder so früh in die Kita zu geben. Sonst hätte ich gar nicht gezweifelt, weil es sich für mich immer richtig angefühlt hat. Vor allem aber auch, weil uns hier das familiäre Netzwerk fehlt. Finanziell hätte sich bestimmt ein Weg gefunden, wenn ich denn gewollt hätte.
    Ich muss zugeben, der Spagat zwischen Arbeiten, Kindern, den ganzen vielen (zusätzlichen) Untersuchungen und meine eigenen Arztterminen war lange nicht einfach. Es hat gedauert, bis ich einen Weg gefunden habe, der mich und die Kinder nicht stress. Aber mittlerweile weiß ich, wie ich die Termine gestalten muss, um die Zeit mit den Herzbuben wertvoll zu nutzen.
    Wenn die Herzbuben zu Hause sind, gehört meine Zeit ihnen (wenn sie es wollen). Und Wochenenden sind fast immer Familienzeit.
    Wenn wir zusammen sind, gehen wir zum Turnen, backen, kochen, singen, saugen, sortieren Spielzeug aus, machen Spielenachmittage, spielen, kuscheln und lesen. Wir gehen in die Bücherhalle oder auf den Spielplatz. Wir machen nichts anderes als ihr auch. Ich versuche, die Verabredungen nachmittags gering zu halten. Termine für mich gestalte ich so, dass ich keine zusätzliche Betreuung benötige.
    Das ist natürlich alles auch nur mit einem flexiblen Arbeitgeber und einem entsprechenden Partner möglich.
    Ich bin ein Mensch, der aber auch Freiräume benötigt, auch diese nehme ich mir und bin danach wieder voll bei meiner Familie.
    Wahrscheinlich könnte hier jede Mutter eine andere Geschichte schreiben und jede Geschichte wäre richtig und gut.
    Ich wünsche mir vor allem mehr Toleranz. Niemand läuft in den Schuhen eines anderes und weiß um dessen Beweggründe und Gefühle.
    Deinen Beitrag finde ich sehr schön und ich hoffe, wir kommen irgendwann mal dahin, dass sich niemand mehr für sein Leben rechtfertigen muss.
    Liebe Grüße aus HH,
    Frieda

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