Montag, 26. März 2012

Gegen emotionale Erpressung und für Eigenverantwortung

Am Freitag war ich mit beiden Kindern beim Kinderarzt. Auf dem Weg dorthin wurde ich von einer Tierschützerin angesprochen, ob ich einen Moment Zeit hätte. Nein, hatte ich leider nicht, sagte ich ihr im Vorbeigehen, mit der einen Hand den Buggy schiebend, mit der anderen das Kleinkind um rauchende Passanten, deren Kippen genau auf Kindergesichthöhe qualmen, herum manövrierend. Wir waren schon spät dran und ich wollte die derzeitige Bereitschaft des Kleinkindes, zum Arzt zu gehen, nicht gefährden. Nach dem Arztbesuch, der über eine Stunde gedauert hatte gingen wir zum Bahnhof, weil sich das Kleinkind als Belohnung ein paar Züge ansehen wollte. Dabei kamen wir wieder an der Tierschützerin vorbei und ich lehnte ein zweites Mal ab. Vielleicht hätte ich ja jetzt Zeit gehabt, aber ich will grundsätzlich nicht auf der Straße angequatscht und zu einer Unterschrift oder Geldspende gedrängt werden. Das war schon früher so und mit zwei Kindern im Schlepptau werde ich das erst recht nicht ändern. Nach dem Zügeschauen mussten wir noch einkaufen gehen und wurden zum dritten Mal angesprochen: "Die junge Familie hat doch gewiss ein wenig Zeit..."
"Sehen wir so aus?" habe ich nur gefragt, denn inzwischen waren wir drei schon ziemlich erledigt, das Baby quengelte vor Müdigkeit, das große Kind hatte Durst und war auch enttäuscht, dass es nur S-Bahnen und Regios, aber keinen ICE gesehen hatte, und ich musste seit einer Stunde zur Toilette, konnte aber keine finden. Keine im Bahnhof, keine im Einkaufszentrum und auch keine am Markt. Der Tipp mehrerer gefragter Leute, in eine Gaststätte zu gehen, nutzte mir leider auch nichts, weil ich mit den beiden Kindern schließlich eine Behindertentoilette brauchte, die es dort nicht gibt.

Im Nachhinein tat mir die Tierschützerin schon irgendwie leid, denn sie hatte ja eine gute Absicht und sie kann auch nichts für meine Situation. Aber ich muss auch mal fragen: Hat die keine Augen im Kopf? Denkt sie, ich renne in dieser Gegend aus Langeweile so viel herum?

Ich mag auch nicht mit Bildern von gequälten Tieren emotional erpresst werden, sofort Geld zu spenden, eine Liste zu unterschreiben und Mitglied zu werden. Nein!

Ich bin durchaus Tierfreundin. Ich kann z.B. an keiner Katze vorbei gehen, ohne sie wenigstens mit einem geschnurrten Miau zu grüßen. Ich erziehe meine Kinder dazu, alle Lebewesen mit Respekt zu behandeln. Ich setze die Schnecken in unserem Garten in die Hecke, anstatt sie zu töten. Und ich könnte noch zig weitere Kleinigkeiten aufzählen.

Ich spende unregelmäßig Geld, z.B. zu meinem Geburtstag und zu Weihnachten. Ich informiere mich aber vorher über die Organisation, denn ich will, dass mit dem Geld etwas wirklich Sinnvolles getan wird. Ich will nicht anschließend jahrelang Aufkleber und Kalender geschickt bekommen, die irgendwann wahrscheinlich mehr kosten, als meine Spende einst betrug. Und ich lasse mich auch nicht emotional erpressen: "Jetzt haben die mir schon so viele Aufkleber geschenkt, jetzt muss ich wieder Geld spenden, damit die Tiere etwas davon haben..."
Und ich will auch nicht ständig diese Briefe mit Fotos und Berichten von gequälten Tieren bekommen. Nein! Wer das macht, ist zum letzten Mal von mir unterstützt worden!

Wie gesagt, ich informiere mich freiwillig, wenn ich gerade Zeit und Nerven dafür habe.

Und falls Ihr Kinder und gerade Zeit und Nerven habt, dann lest doch mal hier:
und informiert Euch außerdem darüber, wie im Zuge der Vorbereitung der Fußball EM in Polen und der Ukraine oder auch in Baku für den Eurovision Song Contest die Straßen von Streunern befreit werden, wie in Rumänien Gesetze missachtet werden und so weiter.

Wehrt Euch gegen emotionale Erpressung, aber lasst die Tiere trotzdem nicht im Stich.
Informiert Euch, was ihr tun könnt. Nicht nur mit Geld, oft werden auch Sachspenden (Decken, Handtücher u.ä.) gebraucht, da kann man prima den Haushalt entrümpeln und dabei noch etwas Gutes tun.

Und liebe Tierschützer auf der Straße: Wenn Ihr eine Frau mit Kindern und genervtem Gesichtsausdruck seht, dann macht ihr bitte Platz, damit sie schnell nach Hause kommt, auf's Klo gehen kann und dann später, wenn die Kinder Mittagsschlaf machen, aus eigenem Antrieb im Netz recherchiert, wie sie zum Tierschutz beitragen kann! Danke!

4 Kommentare:

  1. Ich kann dich gut verstehen.
    Das Dilemma für diese Sraßenanwerber scheint mir aber zu sein, dass die knallhart auf Provision arbeiten.
    Zumindest habe ich das vor kurzem über die amnesty-Straßenstände so erfahren. Ich war immer so naiv und dachte, dass da engagierte amnesty-Mitglieder ehrenamtlich unterwegs seien.
    Ist aber nicht so. Das sind Jobs, die auf Erfolgsbasis honoriert werden. Da gibt es klare Ansagen und viel Gruppendruck, wer wie angesprochen werden soll, weil ein bestimmtes Pensum an Spenden, Adressen und Unterschriften nachgewiesen werden müssen. Ähnlich wie bei Zeitungsabowerbern.
    Von der Bekannten, die kurzfristig für amnesty unterwegs war (und die es dann wegen Unerträglichkeit wieder eingestellt hat!) habe ich z.B. erfahren, dass sie von ihrem Gruppenleieter "einen auf den Deckel gekriegt" hat, weil sie mit Jugendlichen über amnesty und deren Ziele gesprochen hat. Jugendliche unter 18 Jahren dürfen ja nicht unterschreiben und sind somit reine Zeitverschwendung. In der selben zeit hätte man ja evtl. eine Spende von einem Erwachsenen anwerben können. Mich haben diese Informationen sehr ernüchtert und ich bin deshalb überhaupt nicht mehr bereit, auf der Straße angesprochen zu werden.
    Man kann sich Informationen über Organisationen, für die man spenden möchte auch anders beschaffen.
    ich habe übehaupt kein Problem damit bzw. sehe die Notwendigkeit, daß ein Teil meiner Spende in die Organisation selbst fließt, aber auf solche Drücklerbanden habe ich absolut keine Lust....

    LG
    Wiebke

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  2. Wo kann ich Deinen Post unterschreiben?? ;-)
    Du hast sooo Recht!!!!
    Liebe Grüße,
    Andrea

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  3. Stimme ich total zu.
    Grausame Bilder habe ich auch wirklich genug gesehen, deswegen hatten wir letztes Jahr in dem Video darauf ganz verzichtet.

    Zum Thema Tierschutz fällt mir noch ein, dass es für viele ja relativ 'abstrakt' erscheint, wenn sich Menschen um Tiere kümmern, die zig km weit weg sind.. in fernen Ländern. Für mich hat Tierschutz keine Grenzen. Warum auch? Zudem sitzen da echt die Ärmsten der Armen, verhungern, verdursten, werden einfach auf der Straße vergiftet, die Welpen ersäuft und erschlagen.

    Aber das Tierschutz-Thema fängt ja eigentlich auch direkt vor der eigenen Haustür an. Selbstverständlich sollte man seine Freigänger-Katzen kastrieren lassen, ebenso ist man für seine Hunde, Kaninchen, Rennmäuse etc verantwortlich - es gibt genügend Tiere, die keiner haben will.

    Die blödeste Geschichte, die mir da passiert ist: Ein Mann mit einem uralten humpelnden Schäferhund erzählte mir freudestrahlend, dass sein Rüde gerade eine Hündin gedeckt habe.. der Besitzer hatte ihn darum gebeten, denn er möchte, dass die Hündin einmal Welpen hat.. das wäre gut für sie (totaler Schwachsinn!). Außerdem will er die Welpen dann verkaufen. Der alte Mann hat das zugelassen und die beiden Hunden paarten sich. Ich fragte ihn dann, ob er nicht meint, dass es genügend Hunde gäbe im Tierheim, und ob er sicherstellen kann, dass die Welpen alle gesund seien und ein gutes Zuhause fänden? Er antwortete, er wisse das, denn sein eigener Hund wäre sonst auch im Wassereimer gelandet, wenn er ihn nicht genommen hätte. Ich wusste auf so viel Hirnarmut nicht mehr als den kopfschüttelnd stehen zu lassen.

    Es gehört außer der Kontrolle der Vermehrung ebenso dazu, dass man zum Beispiel keine Tiere von dubiosen 'Hobbyzüchtern' aus dem Internet kauft, auch nicht in der Zoohandlung oder dem Polenmarkt - sondern erst mal bei den Tierschutz-Organisationen sucht. Da sitzen haufenweise liebe Hunde, Katzen und weitere Kleintiere, die kein Zuhause haben. Alle Größen, alle Rassen kann man über den Tierschutz finden. Und die Vereine wissen gut über die Tiere Bescheid, was bei einem Welpen unklarer Herkunft vom Vermehrer eher nicht der Fall ist.. und die dann später oft Langzeitinsassen im Tierheim werden, weil sie schlecht sozialisiert sind, krank oder verhaltensgestört.

    Damit ist schon eine Menge getan. Würde mich freuen, wenn das nächste Haustier bei einigen eben nicht aus dubiosen Kanälen (von Vermehrern, also unseriösen Züchtern und Händlern) stammt, sondern ein Tier eine eigene Familie bekommt, dass schon viel zu lange hinter Gittern hockt und wartet..

    Wer sich da ein bisschen informieren mag, kann das zum Beispiel hier tun: http://www.hinsehen-statt-wegschauen.de/

    Danke für's Lesen!

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  4. Hm, ich habe mal eine Amnesty-Strassenwerbeschulung mitgemacht. Allerdings als ehrenamtliches Gruppenmitglied, nicht als Lohnarbeiterin. Aber der Typ der die Schulung gemacht hat, hat auch die bezahlten FundraiserInnen geschult.
    Da kam schon klar raus, dass man nur mit Leuten reden soll, die nicht gleich ablehnen und sich zumindest für das Thema interessieren. Und in der Schulung wurde auch gesagt, dass wenn Leute nichts spenden möchten, dass es dann auch gut ist, wenn man sie über Amnesty zumindest informiert hat. Dieses Ärger machen wegen dem Ansprechen von unter 18jährigen muss ne Sache sein die von dem Fundraisingunternehmen intern so gehandhabt wird.. Ich hab auch mit einigen Fundraisern geredet, und fand das ganz okay wie die das mit dem Anquatschen machen. Wenn von Amnesty bezahlte Fundraisingfirmen ein unerträgliches Betriebsklima haben, finde ich das auch sehr schlecht.
    Bei Amnesty ist es halt so, dass die Fundraiser sehr viel mehr Spenden sammeln als die ehrenamtlichen Mitglieder, so dass unterm Strich beim professionellen Fundraising mehr Spenden da sind, nachdem die Fundraiser ausbezahlt worden sind, als wenn Amnestymitglieder ehrenamtlich sammeln würden. Und zusätzlich sind die ehrenamtlichen entlastet und können mehr inhaltliche Arbeit machen. Aber es ist trotzdem so, daß, wenn für Amnesty gesammelt wird, das auch oft noch ehrenamtliche Mitglieder sind. Das kann man nicht pauschal sagen, dass das immer ein Fundraisingunternehmen ist.
    Soweit ein wenig aus dem Amnesty Nähkästchen!

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