Dienstag, 25. Juni 2024

Gelesen: "Die Erfindung der Bundesrepublik - Wie unser Grundgesetz entstand" von Sabine Böhne-Di Leo




Coverbild freundlicherweise vom Verlag zur Verfügung gestellt


Autorin: Sabine Böhne-Di Leo
Titel: Die Erfindung der Bundesrepublik - Wie unser Grundgesetz entstand
Verlag: Kiepenheuer & Witsch
Erscheinungstermin: 07.03.2024
224 Seiten
ISBN: 978-3-462-00427-4


Klappentext:
Im Sommer 1948 stehen große Entscheidungen an: Die westlichen Alliierten beauftragen 65 Männer und Frauen damit, eine Verfassung auszuarbeiten. Monate leidenschaftlicher Diskussionen beginnen, in denen gestritten, getrickst und geträumt wird. Wie soll es werden, das neue Land?
Kurz nachdem in den drei Westzonen im Frühsommer 1948 eine neue Währung eingeführt wird, riegelt die Sowjetunion West-Berlin ab: Die Stadt ist blockiert. Die USA beschließen, zwei Millionen Menschen aus der Luft zu versorgen und schicken „Rosinenbomber“ los, von denen gleich einer der ersten abstürzt.
Während in Berlin alles auf der Kippe steht, kommt in Bonn der Parlamentarische Rat zusammen: 61 Männer und vier Frauen, die eine Verfassung schreiben sollen, darunter der Sozialdemokrat Carlo Schmid, der Christdemokrat Konrad Adenauer und der Liberale Theodor Heuss. Und dabei geht es um alles: Wie kann es eine Verfassung geben – ohne die Ostzone? Wo soll die Hauptstadt sein? Und welche Lehren sind aus dem Nationalsozialismus zu ziehen?
Sabine Böhne-Di Leo nimmt uns mit auf eine faszinierende Zeitreise ins Jahr 1948/49. Sie schildert lebendig den Alltag zwischen Trümmern und Kartoffeläckern, analysiert die Interessen der Weltmächte und erzählt, auch auf der Basis von Archivfunden, wie das Recht auf Meinungsfreiheit oder auf Asyl den Weg ins Grundgesetz fand – und warum die Gleichberechtigung von Männern und Frauen erst in letzter Sekunde aufgenommen wurde.

Meine Meinung:
Seit meiner Kindheit fasziniert mich die Luftbrücke. Meine Mutter hat mir immer wieder davon erzählt, wie sie als Kind von Neukölln zum Flughafen Tempelhof gelaufen ist in der Hoffnung, etwas von der Schokolade zu ergattern, die manche der Piloten beim Ladeanflug über den Straßen abgeworfen haben. Ich kannte früh das Luftbrückendenkmal in Tempelhof und den Rosinenbomber auf dem Dach des Deutschen Technikmuseums (damals hieß es noch "Museum für Verkehr und Technik"). Egal, wo man sich in Berlin bewegt, jeder Ort erzählt eine Geschichte und viele handeln vom Krieg und von der Blockade. Trotzdem hätte ich nicht erwartet, wie sehr mich dieses Buch beeindruckt. Ich konnte es kaum aus der Hand legen, weil ich es so spannend und berührend fand. Und ich bin der damaligen Berliner Bürgermeisterin Louise Schroeder sehr dankbar, dass sie so hartnäckig gekämpft hat, damit in Artikel 3 GG steht "Männer und Frauen sind gleichberechtigt". Sonst würde vermutlich heute noch gelten, dass der Mann in der Ehe über das Geld bestimmt, dass er allein entscheidet, wie viele Kinder die Familie haben soll und dass eine Frau nach einer Scheidung kein Anrecht auf ihr eigenes mit in die Ehe gebrachtes Vermögen hat. Seltsam nur, dass man so viele der männlichen Bürgermeister kennt und auch wichtige Plätze in der Stadt nach ihnen benannt sind, aber Louise Schroeder und auch den nach ihr benannten Platz im Wedding kennt auch kaum jemand. Naja, so ist das im Patriarchat.
Ich verstehe jetzt viel besser, warum Schule Ländersache ist. Und warum Bonn Hauptstadt wurde. Da hat Adenauer ganz schön in die Trickkiste gegriffen, man könnte es auch "gelogen" nennen. Und warum Bayern so eine Sonderrolle hat. Man sollte halt keine Blankounterschriften machen, sonst wird man kurzerhand über den Tisch gezogen.
Wichtig ist auch, wie Carlo Schmidt damals den Begriff der "wehrhaften Demokratie" erklärte: "Es soll sich jener nicht auf die Grundrechte berufen dürfen, der von ihnen Gebrauch machen will zum Kampf gegen die Demokratie und die freiheitliche Grundordnung." So viel zum Thema "man darf ja gar nichts mehr sagen". Rassismus ist halt auch einfach keine Meinung.
Dieses Buch ist mit Sicherheit das wichtigste, das ich dieses Jahr bisher gelesen habe. Ich habe es auch direkt meinen Kindern ans Herz gelegt, die zum Glück politisch sehr interessiert sind und oft fragen, warum die Dinge so sind, wie sie sind. Und genauso möchte ich es Euch allen auch empfehlen. Und wer nicht gern liest, kann das Hörbuch hören.

Tipp:
Die ersten 23 Seiten gibt es als kostenlose Leseprobe. Die ungekürzte Hörbuchfassung ist beim Argon-Verlag erschienen. Dort gibt es auch eine kostenlose Hörprobe.


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